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Verantwortungsvolle Offenheit

03.07.2025

LMU-Präsident Professor Bernd Huber im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

F.A.Z.: Herr Professor Huber, die Ludwig-Maximilians-Universität in München (LMU) gehört seit Beginn der Exzellenzinitiativen durchgängig zu den Exzellenzuniversitäten. Wie haben Sie diesen Wettbewerbserfolg gesichert?

Bernd Huber: Das hat die Universität als ganze geschafft. Wir haben verschiedene Strategieprozesse initiiert, um die Position der LMU zu festigen. Entscheidend ist die Exzellenz der Wissenschaftler - wir haben offenbar auch eine sehr erfolgreiche Berufungspolitik betrieben.

Professor Bernd Huber

Seit 2002 Präsident der LMU: Professor Bernd Huber

© LMU
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Nun haben sich aber nicht alle Fächer an der Exzellenzstrategie beteiligt, ist die Volluniversität dennoch im Vorteil?

Die Volluniversität ist ein Erfolgsmodell. Die Frage, was eigentlich den Erfolg der Volluniversität ausmacht, ist sehr spannend. Die deutschen Volluniversitäten sind allerdings eigentlich keine solchen, weil sie keine Ingenieurwissenschaften haben. Ich halte es für angebracht, sich als Volluniversität angesichts der Entwicklungen in der Künstlichen Intelligenz und bei den Quantenwissenschaften auch in Bereichen der Ingenieurwissenschaften zu engagieren.

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Heidelberg hat sich dafür entschieden. Bis auf einen Cluster haben Sie alle Cluster gemeinsam mit der TU München eingeworben.

Wir waren mit sieben Exzellenzclustern sehr erfolgreich. Ich freue mich besonders dass wir nun auch einen Cluster in den Geisteswissenschaften eingeworben haben.

Was hat der Exzellenzwettbewerb für Sie aus Sicht des Präsidenten einer großen Universität gebracht?

Er ist eine große Erfolgsgeschichte, weil die deutschen Universitäten dadurch wieder auf die internationale Bühne zurückgekehrt sind. Bei einem Besuch bei der damaligen Harvard-Präsidentin hat sich gezeigt, dass in Amerika genauer registriert wurde, wer wie im Exzellenzwettbewerb abgeschnitten hat.

Nach zwanzig Jahren muss man sich jetzt allerdings überlegen, wie der Wettbewerb fortgesetzt wird. Es könnte erwogen werden, die Cluster nicht nur alle sieben Jahre, sondern analog zu den Sonderforschungsbereichen zu vergeben. Außerdem muss man darauf achten, dass man die Universität nicht zu sehr auf die Exzellenzwettbewerbe verengt, schließlich gibt es auch andere Förderformate – gerade in den Geisteswissenschaften.

Zukunftsvision für die LMU

Auch wenn Sie als scheidender Präsident nicht mehr verantwortlich sein werden: Was ist Ihre Zukunftsvision für die LMU?

Die LMU sollte ihren Status als Volluniversität erhalten, sie sollte den Ausbau des Universitätscampus in der Innenstadt weiter vorantreiben und außerdem den anstehenden Generationswechsel durch hervorragende Berufungen hinbekommen. Etwa 30 Prozent der Professoren gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand.

Könnte die LMU mit ihrem Innenstadtcampus auch ein Ort gesellschaftlichen Diskurses sein?

Das mag altmodisch klingen, aber primär ist die Universität der Ort des wissenschaftlichen Austausches. Über viele Themen führen wir auch eine breite Diskussion, aber die muss immer wissenschaftsgeleitet sein. Ich war immer dagegen, rein politische Veranstaltungen an der Universität zuzulassen. Dann gerät man sehr schnell in die Situation, die sich in Amerika beobachten lässt: dass den Universitäten politische Einseitigkeit vorgeworfen wird.

Sie wissen, dass es an Berliner Universitäten oft auch gewaltsame propalästinensische Kundgebungen gibt. Wie sieht das an der LMU aus?

Natürlich hat es auch in München Kundgebungen gegeben. Die LMU hat aber an ihrer Linie festgehalten, keine politischen Aktionen an der Universität zuzulassen. Das hat die Lage im Vergleich zu anderen Standorten deutlich entschärft. Wichtig ist mir an der Stelle aber Folgendes: Bei 70.000 Menschen - einschließlich Klinikum - an der LMU kann ich nicht in jeden hineinschauen. Und ich kann nicht ausschließen, dass es vereinzelt antisemitische Tendenzen gibt, genau wie im Rest der Gesellschaft. Ein besonderes Antisemitismusproblem an den Hochschulen in Deutschland sehe ich nicht.

Was gehört also zu den Kernaufgaben der Unis von morgen?

Die Aufgaben einer Universität können nicht beliebig vermehrt werden. Die Universität ist kein Supermarkt, sonst erstickt sie an einer Aufgabeninflation. Forschung und Lehre stehen an oberster Stelle. Innovationen und Transfer – nicht nur in einem technischen Sinne – in die Gesellschaft zu bringen und den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern, gehört neben der Wissenschaft zu ihren Kernaufgaben.

Wie blicken Sie auf die Aushöhlung der Wissenschaftsfreiheit in den Vereinigten Staaten?

Ein signifikanter Teil der amerikanischen Gesellschaft steht den Universitäten extrem kritisch gegenüber. Das ist in Deutschland noch anders, aber möglicherweise wird sich das ändern – und das macht mir Sorgen. Im Übrigen wird es auch uns schaden, falls die Wissenschaftslandschaft in den Vereinigten Staaten dauerhaft Schaden nimmt.

Im Unterschied zu den Vereinigten Staaten ist die Wissenschaftsfreiheit verfassungsrechtlich gesichert.

Diese verfassungsrechtliche Sicherung verpflichtet Gesellschaft und Politik, aber sie verpflichtet auch die Wissenschaft, mit dieser Freiheit sorgsam umzugehen. Wissenschaftler müssen klar trennen, was Wissenschaft ist und was als persönliche Meinungsäußerung eines Forschers zu sehen ist.

Wissenschaftliche Karrieren

Sie kommen selbst aus den Wirtschaftswissenschaften, einem überfrequentierten Fach. Werden zu viele Studenten promoviert?

Das glaube ich nicht. Die eigentliche Schwierigkeit beginnt bei den Postdocs, also nach der Promotion. Eine wissenschaftliche Karriere ist mit Risiken verbunden. Wir müssen alles tun, um Nachwuchswissenschaftler bei ihren Karrierewegen zu unterstützen. Wir machen zum Beispiel eine gezielte Karriereberatung. Wir bieten Exitmöglichkeiten an, müssen aber als Universität sicher noch mehr tun. Manchmal wird man Wissenschaftlern auch sagen müssen, dass eine Karriere nicht sonderlich aussichtsreich ist.

Zu den Dauerklagen von Universitätspräsidenten gehört die zu geringe Grundfinanzierung durch die Länder und die große Abhängigkeit von Drittmitteln.

Natürlich würde ich mir eine höhere Grundfinanzierung wünschen, allerdings spiegelt sich in der Förderwirklichkeit auch der Föderalismus, weil die Grundfinanzierung von den Ländern erbracht wird und die Forschungsförderung über die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und andere Institutionen auch vom Bund mitgetragen wird. Einerseits sind wir von Drittmitteln abhängig, anderseits ist die Finanzierung dadurch aber auch diversifiziert, was durchaus Vorteile hat.

Internationalisierung – noch ein Erfolgsrezept?

Eine Zeit lang war Internationalisierung ein Erfolgsrezept – als wäre Wissenschaft nicht immer international gewesen. Inzwischen aber gibt es wegen der Forschungssicherheit durchaus Bedenken. Was tun Sie, um einzelne Forscher zu beraten, mit wem man zusammenarbeiten kann?

Wir müssen eine verantwortungsvolle Offenheit anstreben. Auf der einen Seite wollen wir eine offene Institution sein, andererseits müssen wir Sicherheitsbedenken berücksichtigen. Die völlig ungebremste Internationalisierung, die lange gefordert wurde, war teilweise etwas naiv.

Jetzt allerdings gibt es auch europäische Universitäten, etwa in den Niederlanden, die mit deutschen Universitäten nur dann kooperieren, wenn sie ein ausgefeiltes Sicherheitskonzept haben. Kommt jetzt die Provinzialisierung?

In der Tat droht das Pendel jetzt ins Gegenteil umzuschlagen. Die LMU und viele andere Universitäten wollen aber an ihren internationalen Kooperationen festhalten; wir müssen die schwierige Balance zwischen behutsamer Sicherung etwa von Daten und dem unerlässlichen Austausch mit internationalen Partnern suchen.

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Wenn Sie nach 23 Jahren auf Ihre Amtszeit an der Spitze der LMU zurückblicken, welche Themen haben Sie am meisten bewegt, und wo sehen Sie Defizite?

Das Thema Exzellenz hat mich sehr intensiv beschäftigt. Es gab viele Änderungen, auf die wir reagieren mussten – den doppelten Abiturjahrgang zum Beispiel, die Umstellung auf Bachelor und Master und vieles mehr. Das haben wir ganz gut hinbekommen. Zu den Erfolgsfaktoren für eine Universität gehört aber auch die bauliche Entwicklung, und da hätte ich mir gewünscht, dass wir etwas weitergekommen wären. Bauen ist in Deutschland allerdings eine Geduldsprobe geworden – das gilt für alle Standorte. Es geht keineswegs nur um Finanzierungsfragen, sondern um die Prozesse selbst.

Werden Sie bei der Begehung Ihrer Universität für die Exzellenzstrategie noch dabei sein?

Ja, das mache ich gerne, wenn es gewünscht ist.

(Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3.7.2025. Das Gespräch führte Heike Schmoll.)

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